Sonntag, 20. Dezember 2015

Brich an, du schönes Morgenlicht, und lass den Himmel tagen!

Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach gehört für mich zum Fest dazu und jene Worte daraus zitiere ich gern in diesen Tagen, da ich die Wintersonnenwende herbei sehne.

Heute Morgen bin ich spontan zu einer kleinen Radtour aufgebrochen. Bewegung an der frischen Luft brauchte ich, Ruhe und Adventsstimmung und beeilte mich deshalb, noch in der Dunkelheit aufzubrechen. Ich sah festlich geschmückte Fenster und geputzte Weihnachtsbäume in den Stuben. Als ich in Altkaditz die Stadtgrenze hinter mir ließ, war ich auf einmal von völliger Stille umfangen. Ich erblickte die Lichter von Cossebaude und Oberwartha am linken Elbufer, das Spitzhaus und die beleuchtete Spitzhaustreppe auf der rechten Seite, wo ich unterwegs war. Die aufgehende Sonne färbte den Himmel in zartem Rosa und Orange. Als ich weiter fuhr, fühlte ich mich heimisch und glücklich und doch sehnsuchtsvoll, denn es ist auch die Weite des Elbtals, die mich immer wieder lockt.

Sogar in den Kleingärten bei Altkötzschenbroda glitzerten zwei beleuchtete Tannenbäume! Als ich bei der Elbbrücke nach Niederwartha ankam, wurde es hell. Ich beschloss, umzukehren, um pünktlich zum Frühstück wieder Zuhause zu sein. Nun kamen mir einige Läufer entgegen, denen man ansah, dass sie die Morgenstimmung ebenso genossen wie ich. Frohe Feiertage wünsche ich allen Lesern: festlich, turbulent, lustig, besinnlich, ruhig - möge für Jeden das Richtige dabei sein. Ich hatte heute schon sehr weihnachtliche Momente bei dieser kleinen Tour.

Montag, 7. Dezember 2015

Ein Wochenende in Tangermünde und Jerichow

04.12.15

Anreise und Ankunft

Habe ich schon geschrieben, dass ich gern verreise? Ich mag es, in Zügen zu sitzen, mir die Landschaft und die Ortschaften anzusehen, ebenfalls die Mitreisenden. Es sind nur flüchtige Eindrücke, aber oft sieht man Interessantes im Vorbeifahren. Der erste Halt in einem größeren Bahnhof: ein Paar draußen auf dem Bahnsteig. Er nähert sich ihr, sie entzieht sich mit schmollendem Gesichtsausdruck. Er versucht, sich an ihrem Schal vorbei zu mogeln und sie zu küssen. Sein Gesichtsausdruck ist amüsiert, aber auch zärtlich. Sie weicht aus, kriecht in ihren Schal hinein und schmollt weiter. Aus irgendeinem Grund ist sie sauer auf ihn. Dann gelingt ihm doch ein Kuss. Sie lässt es geschehen, schaut immer noch ausgesprochen zickig drein. Beide sind schätzungsweise Mitte Sechzig. Der nächste Halt an einem großen Flughafen. Ich bin gern in Reisezentren. Bahnhöfe, Häfen, Flughäfen: ich muss sie nur sehen und empfinde Spannung und Vorfreude. Noch immer sehe ich gern Flugzeuge starten und landen, obwohl ich nicht so gern fliege. Der Anblick der großen Silbervögel fasziniert mich und macht mir immer Lust aufs Reisen.

Später fahren wir an einigen Teichen vorbei. Dort sind Schwäne, aber auch ein Vogel, der wie ein Reiher aussieht. Noch ein Stück weiter die Gewissheit: ein Silberreiher, ganz deutlich zu erkennen. Wir fahren durch Ortschaften in der Altmark, die wir noch nie zuvor gesehen haben. In Stendal suchen wir Gleis 8, wo unser Zug nach Tangermünde abfährt. Das Gleis befindet sich ein Stück außerhalb des Bahnhofs hinter Gleis 2 und 3. Die Bahn pendelt zwischen Stendal und Tangermünde, es ist eine Mini-Strecke von 10 Kilometern. Schön, dass es sie noch gibt!

In Tangermünde wird es bald dunkel. Wir gehen ein Stück an der Hafenpromenade entlang, wenden uns wieder Richtung Altstadt und sehen Licht in einer Kirche. In der alten Salzkirche, die nicht mehr als Kirche, sondern als Galerie und Konzertsaal genutzt wird, ist man auf Besucher eingestellt. Wir sehen uns die Gemälde an, die ausgestellt sind. Zwei freundliche Damen vom Museumsverein geben uns einen Tipp: in der Alten Brauerei ist schon ein kleiner Weihnachtsmarkt. Sie beschreiben uns den Weg dorthin und tatsächlich geht es dort im Innenhof sehr weihnachtlich zu. Auch einige der offenen Höfe sind schon auf Besucher eingestellt. Alles ist noch relativ ruhig und gemütlich – wir empfinden es wie ein Geschenk, schon vor Eröffnung des großen Weihnachtsmarktes in Stimmung kommen zu können. Die Aufbauarbeiten für das Wochenende sind bereits im Gange. Einheimische fragen uns, woher wir kommen. Aus Dresden? Hierher? Warum denn nicht? Tangermünde ist ein hübsches und liebenswertes Städtchen. Ich hätte Dresden längst den Rücken gekehrt, wenn das Wohnen in der Stadt nicht auch einige Vorteile hätte, die wir derzeit nicht missen möchten. Aber ich mag die Stadt nicht mehr. Vielleicht muss man von außerhalb kommen, um Dresden zu mögen. In Dresden spüre ich kein Flair, in Tangermünde schon.

05.12.15

Es fährt ein Bus nach Jerichow

Im Sommer 2012 sind wir den Elberadweg von Magdeburg nach Cuxhaven gefahren. Unser erster Stopp unterwegs war in Tangermünde, schon damals eine Empfehlung. Das Städtchen gefiel uns sehr gut und beim Ausblick von der Burg machte uns ein älterer Herr auf das Kloster Jerichow aufmerksam. Das sei etwas ganz Besonderes, meinte er, und wir müssten es uns unbedingt ansehen.

Dorthin zu fahren, wäre mit einem Umweg verbunden gewesen, und wir ließen es vorerst bleiben. Schon für 2013 nahmen wir uns vor, auf der anderen Elbseite mit den Rädern entlang zu fahren und auch Jerichow anzusehen. Aber das Hochwasser, das in jenem Jahr in Sachsen-Anhalt besonders schlimm war, kam dazwischen und wir änderten unsere Reiseplanung. Die Berichte einer lieben Freundin, die Jerichow und Tangermünde ebenfalls gut kennt, sorgten dafür, dass die Idee nicht in Vergessenheit geriet: Ende 2014 plante ich dieses Adventswochenende fest ein. Weihnachtsmarkt 2015 in Tangermünde + Fahrt nach Jerichow. Gestern Abend konnten wir wieder das Kloster auf der anderen Elbseite sehen. Kurz nach neun Uhr stehen wir am Bahnhof in Tangermünde und warten auf den Bus nach Genthin. Er fährt einen Bogen über die Elbbrücke bei Fischbeck, an einem großen Sumpf- und Überschwemmungsgebiet vorbei nach Jerichow und hält bei Bedarf wenige Meter entfernt vom Kloster.

Ein eisiger Wind weht, als wir um das Kloster herum gehen. Hier verlaufen sowohl der Elberadweg als auch die Straße der Romanik. Bei schönem Wetter wären wir gern noch ein Stück durch die Elbauen gegangen. Heute sind wir froh, dass wir gegen 10 Uhr hineingehen können. Das Kloster ist in weiten Teilen schon sehr gut restauriert worden. Vor allem die Klosterkirche, ein imposanter Backsteinbau, ist sehr beeindruckend. Außerdem können Klostermuseum und Klostergarten besichtigt werden. Freilich: wirklich warm wird uns nicht, und im Winter fehlt auch eine Einkehrmöglichkeit. Im Sommer ist ein Café geöffnet. Im Klostergarten halten wir uns bei der Kälte nicht lange auf, sondern beschließen, den Bus kurz nach 12 Uhr zurück nach Tangermünde zu nehmen.

Hier strömen die Menschen von allen Seiten auf den Weihnachtsmarkt. Auch wir bummeln, lassen es uns gut gehen, sehen uns die Auslagen an, hören Musik und schauen den Kindern zu, die Karussell fahren. Am Glühweinstand erkennt man uns schon. Immer wieder ergeben sich kurze Gespräche mit Einheimischen. Es sind nette Leute, denen ihre Stadt am Herzen liegt. Wiederholt werden wir gebeten, für die Gegend Werbung zu machen. Aber ich verstehe es nicht als Werbung, sondern als Empfehlung: Tangermünde und natürlich auch die Umgebung sind immer wieder eine Reise wert.

06.12.15

Wanderung durch die Elbauen und ein wundervoller Abschluss

Am Morgen kann ich es kaum glauben, dass ich beinahe zehn Stunden geschlafen habe. Heute treibt uns überhaupt nichts an, und das ist ein angenehmer Start in den Tag. Ganz anders, als wir damals auf dem Elberadweg unterwegs waren: da hatten wir unsere geplante Strecke und die Urlaubstage, die uns zur Verfügung standen, und beides musste irgendwie zusammenpassen.

Oft geht es uns so, dass wir eine Gegend flüchtig kennenlernen und unbedingt noch einmal mit mehr Zeit wieder kommen möchten. Schön, wenn uns so etwas gelingt! Tangermünde ist so ein Beispiel. Wir haben dieses Mal auch für eine kleine Wanderung Zeit. Unsere Tour führt uns ein kleines Stückchen auf dem Elberadweg Richtung Grieben entlang. Man befindet sich auf einem Deich, von großen Alleebäumen gesäumt. Hier findet man relativ unberührte Natur, die nicht oder kaum landwirtschaftlich genutzt wird. Im Sommer kann man öfter Störche beobachten. Nun sieht man ab und an einen Raubvogel kreisen – und genießt die Stille. Das Licht ist stimmungsvoll wie in einem Ölgemälde. Immer wieder begegnen uns Läufer, ab und an auch Radfahrer. Nach circa vier Kilometern wenden wir uns rechts herum, gehen auf einem Weg unterhalb eines Deiches nach Bölsdorf und von dort auf einem Fußweg entlang der Straße zurück nach Tangermünde. Letzterer Abschnitt ist weniger schön, aber dennoch sicher zu gehen. Immerhin sind wir reichlich 11 Kilometer gewandert und gerade rechtzeitig wieder im Ort, um den Turm der Burg zu besichtigen, was nur zu bestimmten Zeiten möglich ist.

Eine ältere Dame ist vor Ort, um Besucher hinauf zu führen. Wir gehen über mehrere Etagen nach oben und dürfen schließlich nach allen Richtungen durch die Luken sehen. Die Fernsicht ist wirklich gut. Der Turm diente zur Verteidigung, als Speicher und Lagerplatz und eine Etage wurde zeitweise auch bewohnt. Nach einem kurzen Weihnachtsmarktbummel besuchen wir noch das Stadtmuseum im Rathaus. Anschließend lassen wir den Tag mit Glühwein, Punsch, Met und allerlei Leckereien ausklingen.

Am Abend möchten wir noch einen Spaziergang machen. Ein bisschen erstaunt sind wir, weil das Städtchen geradezu leergefegt ist. Viele Buden sind schon in Einzelteile zerlegt, andere werden gerade verladen, und es sind nur noch wenige Menschen unterwegs. Schade – einen Glühwein hätten wir gern noch getrunken, aber wenn nicht, dann eben nicht. Schließlich wollten wir keinen Großstadt-Weihnachtsmarkt besuchen! Als wir auf dem Rückweg zum Hotel sind, werden wir von einer Gruppe von Leuten überholt. Da preist doch tatsächlich noch Jemand einen Rest Punsch an. Niemand aus der Gruppe reagiert – aber wir sind gleich zur Stelle. Schnell ist die letzte Bestellung aufgegeben, sind zwei bereits gut verpackte Plastikbecher hervorgeholt und wir bekommen den vermutlich letzten Punsch des diesjährigen Weihnachtsmarktes in Tangermünde.

Als ich jünger war, hatte ich sehr feste Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat. Heute lasse ich mich gern von kleinen, unerwarteten Momenten beschenken: wenn Kinder Weihnachtslieder singen, wenn ich plötzlich neue Ideen habe, wenn das Fischbrötchen ausgesprochen gut schmeckt, sich zufällig ein interessantes Gespräch ergibt oder ein letzter Becher Punsch zu haben ist. Wenn wir einfach Zeit haben und entscheiden können, wie wir sie verbringen und die Wahl keine Qual ist, sondern im Grunde einfach und kein großer Akt. Ob wir noch einmal nach Tangermünde kommen werden? Dieser Aufenthalt hat keine Wünsche offen gelassen, es war ein Wochenende zum Genießen. Aber vielleicht sind wir mal wieder hier auf der Durchreise.