Sonntag, 18. Dezember 2016

Von der Lust, einen Weihnachtsbaum zu schmücken

Ich weiß, ich bin zu früh damit dran. Auch in meinem Elternhaus wurde der Weihnachtsbaum nach alter Tradition erst am 24.12. aufgestellt und geschmückt. Als wir Kinder noch kleiner waren, bekamen wir davon überhaupt nichts mit: die Stube, das Weihnachtszimmer, wurde schon vormittags verschlossen und unsere Aufregung stieg. Staunen und Freude waren groß, wenn sich die Tür am späten Nachmittag auftat und der geschmückte Baum im Kerzenlicht erstrahlte.

Die Dinge änderten sich, als wir zunehmend selbst an den Heimlichkeiten beteiligt waren. Manchmal war dann stundenweise das Kinderzimmer verschlossen. Wir bastelten gern, auch Baumschmuck, und irgendwann wurde uns das Schmücken des Baumes übertragen. Ich kann mich erinnern, dass ich diese Veränderung teils mit Neugier und Freude, aber auch mit Wehmut aufnahm. Hatten wir den Baum geschmückt, mussten wir das Weihnachtszimmer verlassen, so wie früher. Unsere nun elektrische Beleuchtung wurde erst am Abend eingeschaltet, und erst dann sahen wir den Baum in ganzer Pracht.

In meiner eigenen Familie habe ich es ein paar Jahre lang so beibehalten, und in jenen Jahren erlebte ich den üblichen Weihnachtsstress, den ich als Kind nicht hatte - den haben nur die Organisatoren, die Großen. Alles kam da zusammen: letzte Einkäufe, Heimlichkeiten, Aufregung der Kinder, Vorbereitungen in der Küche, das Aufstellen des Baumes - und die ersten Komplikationen, wenn der Baum noch zurecht gesägt werden musste oder nicht in den Weihnachtsbaumständer passen wollte. Wenn dann gar die Beleuchtung kaputt war oder die Lichterkette zu kurz und noch schnell Ersatz besorgt werden musste, war das Chaos perfekt und die Stimmung so, wie sie am Heiligen Abend nicht sein sollte.

Irgendwann war ich das alles leid und begann, den Baum vor Weihnachten aufzustellen und in Ruhe zu schmücken, meist an einem Abend, wenn die Kinder im Bett waren und alles andere erledigt. Lieber verzichtete ich auf die Tradition und hatte dafür Weihnachtsfrieden.

Nun sind die Kinder erwachsen und wir haben einige Jahre lang auf den Weihnachtsbaum verzichtet. Geschmückt haben wir dennoch: mit Tannengrün, Sternen an den Fenstern, unserer Weihnachtskrippe und dem Weihnachtsdorf aus beleuchteten Häusern. Neuerdings haben wir wieder einen Baum. Während er früher sehr bunt war, behängt mit allerlei selbst Gebasteltem, kann ich ihn nun etwas stilvoller schmücken. Ich liebe Baumkugeln, möglichst traditionell in Rot, manchmal ergänzt durch Silber oder ein wenig Gold, dazu das Grün der Tanne. Auch die Weihnachtsdekoration ist der Mode unterworfen. Nicht alles, was ich manchmal durchaus hübsch finde, möchte ich in meinen eigenen vier Wänden haben.

Heute war es wieder so weit. Es war noch dunkel und trüb draußen, als ich den Baum mit den beiden Lichterketten bestückte. Dann platzierte ich zuerst die dunkelroten Kugeln aus Glas, die edelsten, an den Zweigen. Es folgten vergoldete Zapfen, Glöckchen und Sterne. Dann verteilte ich die restlichen Kugeln: glitzernde, glänzende, matt glänzende, filigran durchbrochene, große und kleine. Das alles braucht seine Zeit, aber heute stand ohnehin nichts Anderes auf dem Programm. Manchmal tauschten zwei Kugeln ihre Plätze, matt tauschte mit glänzend oder groß mit klein. Schließlich wurde der Baum mit Lametta behängt. Ich muss kein Lametta am Baum haben, aber die Familie mag es. Weihnachten ist immer auch ein Fest der Kompromisse, wenn es friedlich bleiben soll. Und Freude möchte man auch haben: am Betrachten, aber auch am Schmücken. Die Lichter wollte ich nach der Beleuchtungsprobe schnell wieder ausschalten, aber mein Mann bat mich, sie noch ein Weilchen eingeschaltet zu lassen - zumindest bis nach dem Frühstück. Denn als Kind, erzählte er, durfte er schon morgens nicht in das Weihnachtszimmer und den Baum erst am Abend sehen.

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