Montag, 2. Juli 2018

Gelesen: "Bretonische Brandung" von Jean-Luc Bannalec

Ich lese sehr gern Krimis mit Lokalkolorit. Meine absoluten Favoriten sind die Bretagne-Krimis von Jean-Luc Bannalec. Der Name ist ein Pseudonym, der Autor lebt in Deutschland und in der Bretagne und ist ein Erzählprofi, wie man beim Lesen merkt. Aktuell ist "Bretonische Geheimnisse" neu auf dem Markt. Ich habe das Buch geradezu verschlungen, in einem Tempo, über das ich selbst nicht ganz glücklich war, aber es war sehr spannend und ich konnte mich dem Sog der Geschichte nicht entziehen.

Was Spannung, Erzähltempo und Thema angeht, halte ich "Bretonische Geheimnisse" für einen Höhepunkt der Bretagne-Krimis, und frage mich: Lässt sich das alles noch steigern, oder ist dieser Roman gar der Abschluss der Serie? Letzteres wäre unendlich schade, muss ich als Fan bekennen. Allerdings überkam mich nach dem Lesen des Buches auch das Gefühl, dass es beinahe zu viel Drama, zu viel Mystik und auch zu viel Nationalstolz enthält. Es ist ein Klassebuch und sicher auf den Lesergeschmack zugeschnitten, aber: Mein Lieblingsbuch der Serie ist nach wie vor "Bretonische Brandung", jener Kriminalroman, der auf den Glénan-Inseln handelt.

Nach wie vor kenne ich die Bretagne nur aus den Büchern von Jean-Luc Bannalec, und von den Glénan-Inseln hatte ich noch nie zuvor etwas gehört. Die Landschaft in der Bretagne allgemein und auf dem Glénan-Archipel im Besonderen muss von einzigartiger Schönheit sein. Ich lasse mir gern von den Farben des Wassers, des Sandes, des Himmels, von dem Pflanzenbewuchs und den Charakter der Häuser erzählen. Jene durchaus üppigen Beschreibungen bilden einen Kontrast zu den brutalen Verbrechen, um die es geht, dem Charakter des Komissars, der nach seinen eigenen Methoden vorgeht und immer in fieberhafter Eile ermittelt. Dupin, aus Paris in die Bretagne strafversetzt, ist zielstrebig, intuitiv und methodisch, manchmal unwirsch, ein schwieriger, aber sehr effektiv arbeitender Vorgesetzter. Er bewegt sich oft am Rande der Selbstzerstörung. Es kommt vor, dass er nach tagelangen Ermittlungen endlich etwas essen möchte und das Gericht dann doch stehenlässt, weil er neuen Hinweisen nachgehen muss oder ihm etwas einfällt, das er abklären möchte. Er leidet unter niedrigem Blutdruck und braucht viel Café, um arbeiten zu können.

Auf der Glénan-Insel St. Nicolas macht er das "Quatre Vents" zu seiner Ermittlungszentrale, ein bodenständiges Restaurant mit frischem, gutem Essen, gutem Café, ohne Schnickschnack: "Im Quatre Vents war alles echt, nichts arrangiert, dekoriert, um idyllisch zu sein. Und in der Tat es war kein bisschen idyllisch, es war umwerfend schön." Ich liebe solche Sätze! Ich mag es, wenn neben der atemberaubenden Landschaft auch der Geschmack des Hummers beschrieben wird - des besten der Welt, wie Nolwenn, Dupins patente Assistentin, weiß. Neben Bilderbuchstränden, der Struktur der Wolken und der Farbpalette des Atlantiks werden aber auch die Gefahren auf dem Meer thematisiert. Schönes und Schreckliches existieren nebeneinander: C'est la vie.

"Bretonische Brandung" ist, so empfinde ich, etwas minimalistischer, ruhiger erzählt als "Bretonische Geheimnisse". Vermutlich mag ich es deswegen. Ich habe stärker das Gefühl, dabei zu sein, wenn ich darin lese. Ich werde mich noch lange an die Spaziergänge des Kommissars über die Inseln erinnern, und an das "Quatre Vents". Auch die Auflösung des Krimis ist mir sympathisch, es ist ein untypisches Ende.

Die Schilderungen über die Bretagne haben eine solche Wirkung auf mich, dass ich zwar gern dorthin reisen möchte, aber es dennoch nicht eilig habe, weil schon die Bücher mich dorthin mitnehmen. Auf jedes dieser Bücher habe ich mich gestürzt und es innerhalb weniger Stunden gelesen. Aber man kann die Bretagne-Krimis auch gut mehrmals lesen und beim wiederholten Lesen stärker auf Details achten: Es lohnt sich!

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Brandung, Kiepenheuer & Witsch, 2013, ISBN 978-3-462-04496-6

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