Freitag, 7. Februar 2014

4.2.14 - Der Planeten-Wanderweg

Gegen 9.30 Uhr verlasse ich das Hotel und finde mich sobald bei Venus, Erde und Mond wieder. Jedem Planeten unseres Sonnensystems ist eine Hinweistafel mit einigen Informationen gewidmet. Diesen Weg gab es schon, als ich das letzte Mal hier war. Leider haben wir nicht notiert, wann genau die Reise nach Rostock und Warnemünde stattgefunden hat. Ich weiß noch, ich konnte schon lesen, nämlich die Hinweisschilder des Planetenweges. Ich war so fasziniert von Warnemünde und speziell von diesem Weg! Aber es gibt ein wichtiges Indiz, um den Zeitpunkt näher zu bestimmen: damals hatte Frank Schöbel gerade seine Schlagerschallplatte „Komm, wir malen eine Sonne“ für Kinder herausgebracht, 1975 war das – ich war also elf Jahre alt. Diese Platte haben wir bei unserem Aufenthalt in Rostock gekauft. Oh, wir waren damals alle Frank-Schöbel-Fans! Heutige Elfjährige würden wohl fassungslos den Kopf schütteln… Ich beginne meinen Weg im „Zentrum“ des Sonnensystems. Die Sonne, eine große Kugel, befindet sich direkt am Leuchtturm. Sie ist noch immer ein „Hingucker“. Die anderen Schilder sind sichtbar in die Jahre gekommen, aber – zu meiner großen Freude gibt es sie noch und sie wurden auch schon instand gesetzt. Dieses Modell verdeutlicht die Entfernungen der Himmelskörper zueinander sehr gut. Interessant fand – und finde ich die Angaben, wie lange die Planeten benötigen, um die Sonne einmal zu umrunden. Bei den äußeren Planeten dauert das ein Menschenleben lang! Schon damals wollte ich unbedingt zum äußersten Planeten, dem Pluto, gehen, aber meine Eltern waren dagegen und schätzten die Strecke als zu weit ein. Möglicherweise hätte uns Kindern wirklich die Geduld gefehlt, die knapp sechs Kilometer bis zum Pluto zurückzulegen. Irgendwann gehe ich bis zum Ende des Weges, beschloss ich damals. Dass 39 Jahre vergehen sollten, ahnte ich allerdings nicht; die Zeitspanne fühlt sich schon eigenartig an. Der Pluto gilt heute nicht mehr als Planet. Die Hinweistafel wurde nicht entfernt und ich kann mich auf den Weg machen. Zunächst nehme ich aber noch einen kleinen Umweg zur Mole. Morgens ist das Licht am besten; ich fotografiere noch ein wenig und ahne schon, dass ich wieder sehr viele ähnliche Bilder heimbringen werde. Dann starte ich der Ordnung halber am Merkur, der der Sonne am nächsten ist. Wenige Meter entfernt folgen Venus, Erde, Mond und Mars. Zum Ende der Promenade hin sind die Schilder für Jupiter und Saturn zu finden. Aber auch die Dünen und die vielen Wege zum Strand sind immer wieder einladend, ich gehe mal hier, mal dort ein Stück hinunter und wieder zurück und bin ganz versunken, so dass mir ein Fehler unterläuft. Ich vergesse, das Jupiter-Schild zu fotografieren. Ich stand davor und las es, aber… das Foto fehlt. Es waren einfach zu viele Eindrücke, ich habe mich treiben lassen an diesem Tag. Es war nicht so sehr eine Wanderung, eher ein Spaziergang, eine Wohltat. Am späten Vormittag sind viele Leute hier an der Küste unterwegs. Man kann die ganze Küste entlang wandern oder mit dem Rad fahren – faszinierende Möglichkeiten sind das! Die Küste steigt etwas an und man erreicht den beliebten Aussichtspunkt Wilhelmshöhe, wo man einkehren kann. Kurz davor befindet sich das Uranus-Schild. Ich hatte befürchtet, es übersehen zu haben – in diesem Falle wäre ich umgekehrt und hätte es gesucht. Dieses Wegstück kam mir sehr weit vor, dabei waren es vom Saturn aus nur knapp 1,5 km. Aber es gab so viel zu sehen unterwegs, so viel zu genießen. Das Wetter war richtig schön geworden, sonnig, mild, der Himmel war so blau wie das Meer. Ein Glückstag! Draußen vor der Küste liegen einige große Schiffe, die sich scheinbar nicht von der Stelle rühren. Hinter der Wilhelmshöhe sind deutlich weniger Ausflügler unterwegs. Allein bin ich dennoch nicht. Immer wieder sind Wanderer, Radfahrer, Jogger unterwegs. Es ist ja auch ein sehr schöner Weg. Die Neptun-Tafel kommt schneller als erwartet. 1,3 Kilometer sind es noch durch den Wald bis zum Pluto, dort, wo der Bach Stoltera ins Meer mündet. Ein Wegabschnitt direkt am Steilufer ist vereist, dort ist Vorsicht geboten und ich halte mich am Geländer fest. Ansonsten ist es ein sehr bequemer Weg. Dann ist das dem Pluto gewidmete Schild erreicht – etwas schief steht es in der Landschaft. Ein besonderer Moment ist das: ich bin am Ziel. Zwölf Kilometer sind es von hier aus bis Heiligendamm, sechs Kilometer zurück nach Warnemünde. Fast tut es mir leid, dass der Planetenweg schon zu Ende ist. Ich gehe hinunter zum Strand. Angler stehen mit ihren Wathosen im Wasser. Ruhig ist es hier, nur wenige Spaziergänger sind unterwegs. Ich laufe noch ein Stück westwärts. Draußen vor der Küste ist etwas im Wasser – eine Bohrinsel? Unsinn, so nahe am Strand… Neugierig bin ich aber geworden. Langsam kehre ich um, suche immer wieder nach Steinen, suche im Tang… auch in Warnemünde soll es Bernstein geben. Einen Hühnergott finden, das wäre doch was! Aber wozu brauche ich einen Glücksbringer – ich habe Glück. Kurz vor dieser Reise habe ich gelesen, wohin man auch fährt, man nimmt immer sich selbst mit. Und ein paar Bedenken hatte ich schon: würde ich es mit mir aushalten? Es war auch ein kleines Experiment, allein zu verreisen. Als ich hier am Strand entlang laufe, wird mir klar: aus dem Alltag fliehen, eine Auszeit nehmen ist manchmal nötig. Aber vor mir selbst muss ich nicht fliehen. Hier in Warnemünde ist alles gut, alle Rastlosigkeit ist verflogen. Ich könnte mein Glück kaum fassen, hätte ich mich nicht in der Hoffnung darauf auf den Weg gemacht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen