Dienstag, 5. November 2019

Noch eine Insel; La Graciosa

Vor neun Jahren standen wir am Aussichtspunkt Mirador del Rio im Norden von Lanzarote und blickten zur Insel La Graciosa hinüber. Sie liegt dort ausgestreckt, gelb und sandig, mit ein paar Erhebungen, einem Hafen und kleinen weißen Häusern. Und wir sahen eine Fähre hinüberfahren. Schon damals hatten wir den Wunsch, auch mal hinüberzufahren. Im vergangenen Jahr waren wir nur eine Woche lang hier und da war uns die Zeit zu knapp. Dieses Mal sind wir 14 Tage hier - genügend Zeit also für den Abstecher in den Norden.

Wir hatten einen schönen Abend in der kleinen Pension in Orzola. Es war ein richtiges inseltypisches weißes Haus mit dicken Mauern, einem überdachten Balkon und einer Dachterrasse. Es war sehr anheimelnd dort und gestern Abend haben wir noch lange auf der Dachterrasse gesessen, die Sterne angeschaut und das Tosen der Brandung gehört. Es war ein ganz besonderes Erlebnis, dort zu sein.

Heute früh konnten wir gemütlich aufbrechen; wir wollten die 10-Uhr-Fähre von Lineas Romero nehmen. Zuvor holten wir uns im Minimarkt El Rana frische belegte Brötchen - das war ein Tipp unserer Vermieterin. Sie wurden für uns nach Wunsch belegt und picknickgerecht eingepackt. Da die Überfahrt nach La Graciosa als turbulent bekannt ist, wollten wir die Brötchen erst drüben auf der Insel essen. Wir hatten gestern am Hafen nur Reservierungen bekommen, was wir nicht wussten. Ein Angehöriger der Besatzung ging aber sofort zurück zum Schalter und holte uns die Tickets. Wenn man vorab reserviert, bekommt man Rabatt - auch das hat uns unsere Vermieterin verraten. Die Fähre nahm auch die Post mit und Waren für die Insel. Sogar ein Päckchen von Amazon wurde dorthin geliefert. In den ersten zehn bis fünfzehn Minuten geht es wirklich aufs offene Meer, aber wir hatten keinerlei Probleme damit. Wenn das Schiff in die Meerenge El Rio einbiegt, die Lanzarote von La Graciosa trennt, wird es aber sofort ruhiger. Die kleine Insel rückte immer näher. Wir haben die Überfahrten durchweg genossen.

Bald fuhren wir parallel zum Ufer und dann ging es in den kleinen Hafen hinein. Der Ort Caleta del Sebo wirkt überschaubar und familiär. Ich habe immer wieder an Hiddensee gedacht. In ihrer größten Ausdehnung nimmt La Graciosa aber nur die Hälfte von Hiddensee ein. Dennoch sollte man etwas Zeit für die Insel mitbringen und sie vollständig zu erkunden, ist kaum an einem Tag möglich. La Graciosa ist die kleinste bewohnte kanarische Insel und seit 2018 eine eigenständige Insel. Zuvor gehörte sie zu Lanzarote. Seitdem gibt es - neben mehreren kleinen unbewohnten Inseln - nicht mehr sieben, sondern acht bewohnte Inseln. La Graciosa und die umliegenden kleinen Inseln sind Naturschutzgebiet. Am Hafen gibt es einige Restaurants und Geschäfte. Die Insel ist überwiegend mit Sand bedeckt, und es gibt asphaltierten Straßen, nur Sandpisten. Man hat den Eindruck, dass der Strand direkt vor einigen Häuschen beginnt. Aber Jeeps fahren herum und bringen auch Touristen von da nach dort. Es ist möglich, am Hafen Fahrräder auszuleihen, aber wir stellen uns das Fahren sehr mühsam vor. Immer wieder sahen wir Leute die Räder durch den Sand schieben.

Das Wandern auf La Graciosa ist durchweg empfehlenswert, besonders in der Nebensaison wie jetzt, wenn es nicht so heiß ist. Es ist allerdings anstrengend, da man immer wieder durch Sand geht, der unter den Füßen nachgibt. Man sollte geschlossene Halbschuhe tragen. Die ganze Insel an einem Tag zu erwandern, würde ich nicht empfehlen. Da empfiehlt es sich, noch einmal wieder zu kommen. Auf Wanderkarten werden im Wesentlichen zwei Routen genannt: die Nordrunde um die VulkaneAguajas Grandes und Aguajas Chicas herum zum Traumstand Playa de las Conchas, der zwar wunderschön ist, aber für seine Unterströmungen berüchtigt, weiter zum Ort Pedro Barba im Nordosten, der eine Ansammlung von Ferienhäusern ist, zurück zum Hafen. Und es gibt die südliche Runde vorbei am Sandstrand Playa de la Francesa zum Playa de la Cocina, einer kleinen relativ geschützten Bucht unterhalb des Vulkans Montana Amarilla, den man auch besteigen kann. Nach einem kurzen Badestopp stiegen wir zum Sattel des Vulkans. Dort kann man nördlich von La Graciosa die unbewohnten Inseln Montana Clara und Allegranza sehen- ein beeindruckender Anblick. Man erreicht beinahe die Nordwestküste und biegt schließlich auf eine Piste ein, die einen Hügel umgeht und dann direkt zurück zum Hafen führt. Wir waren ungefähr neun Kilometer unterwegs. Wer auf La Graciosa wandert, sollte ausreichend Wasser mitnehmen, Sonnenschutz und auch etwas Verpflegung. In der Wintersaison sollte man aufs Wetter achten, da man auf der Insel relativ ungeschützt ist und keine Unterstellmöglichkeit hat - außer in den Restaurants am Hafen. Es kann dann schon mal zu Regen und Sturm kommen. Ich war etwas besorgt, weil für heute ein Wetterumschwung mit Regen ab 14 Uhr angekündigt war. Wir hatten es aber bis ca. 14 Uhr noch sehr sonnig, dann zogen Wolken heran. Wir haben die Südrunde etwas abgekürzt und waren schon 14.30 Uhr wieder am Hafen, froh darüber, dass sich das Wetter gehalten hat. So konnten wir die 15-Uhr-Fähre zurück nach Orzola nehmen. Während wir auf dem Meer waren, fielen die ersten Regentropfen und als wir nach 30 Minuten in Orzola anlegten, war dort regelrecht Novemberstimmung.

Wir beschlossen deshalb, schon heute nach Playa Blanca zurückzufahren. Die zweite Übernachtung hätten wir benötigt, wenn wir die letzte Fähre genommen hätten. In Orzola gab es für uns nichts mehr zu sehen und das Wetter war ja auch nicht mehr gut. Es war dennoch gut, dass wir die Unterkunft dort hatten, denn wir haben einen Teil unserer Sachen dort zurücklassen können und konnten uns auch noch bis zur Abfahrt des Busses dort aufhalten. Die Busverbindungen haben sich wieder einmal als zuverlässig erwiesen und auch unser inzwischen großes Vertrauen in die Linienbusse haben bewirkt, dass wir noch am Abend zurückgefahren sind. Auch der Anschluss in Arrecife nach Playa Blanca hat sehr gut geklappt. Ich kann nur empfehlen, einen Ausflug nach La Graciosa individuell zu unternehmen. Es ist alles gut organisiert, die Besatzung der Fähren ist aufmerksam, und es wird auch mal gewartet, wenn noch Leute in letzter Minute die Fähre erreichen wollen. In der Wintersaison fährt die letzte Fähre von Lineas Romero 17 Uhr in Caleta del Sebo ab. Man kann auch Urlaub auf La Graciosa machen - das würde uns durchaus einmal reizen, ein paar Tage dort auf dieser besonderen Insel zu bleiben. Aber wir haben schon einen guten Eindruck bekommen. Es war ein sehr schöner und beeindruckender Ausflug in den Norden.

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